Bei der Erstellung eines „normalen Trainingsplans“ für einen bestimmten Zeitraum (Zyklus) wählt man meist eine fest vorgeschriebene Wiederholungszahl oder zumindest einen fest vorgeschriebenen Wiederholungsbereich. Der Ansatz des Pyramidentrainings ist deshalb so interessant, weil er diese Regel einmal komplett über den Haufen wirft und so für einen völlig neuen Trainingsreiz sorgt.
Was ist Pyramidentraining?
Beim Ansatz des Pyramidentrainings wird im Rahmen einer Trainingseinheit sowohl mit leichtem als auch mit schwerem Gewicht und folglich mit hoher bzw. niedriger Wiederholungszahl trainiert. Der Begriff „Pyramide“ gibt den Verlauf des Trainings und die Intensitäts-Zeit-Struktur wieder. Mit dem Pyramidentraining soll es ermöglicht werden, möglichst viele Muskelbereiche anzusprechen und so die Zahl aktivierter Muskelfasern zu maximieren.
Je nach Ausführung oder Schwerpunkt kann ein Pyramidentraining verschiedene Akzente setzen oder unterschiedlich aufgebaut sein.

Die spitze Pyramide sieht Trainingssätze bis zum 1-RM (One Repetition Maximum, zu deutsch „Einer-Maximum“) vor, während bei der stumpfen Pyramide kein Training im Maximalkraftbereich stattfindet.
Ein Training mit der spitzen Pyramide eignet sich besonders für reine Kraftsportarten, aber auch für Kontaktsportarten bei denen es um Maximalkraft und Schnellkraft geht. Hier lässt sich in Punkto Schnellkraft ein Trainingseffekt sogar noch über eine explosive Übungsausführung steigern.
Dominiert der hohe Wiederholungsbereich, lassen sich damit ganz besonders Leistungssteigerungen im Bereich Kraftausdauer fokussieren. Für Muskelhypertrophie glaubte man lange Zeit, dass der mittlere Wiederholungsbereich am besten geeignet wäre. Wer es auf ein Dickenwachstum der Muskulatur abgesehen hat, sollte sich ganz besonders Muskelversagen auf die Fahne schreiben, die Wiederholungszahl ist hier dann eher zweitrangig.
Das Pyramidentraining grenzt sich von allen anderen Trainingskonzepten dahingehend ab, dass in einem Workout mehrere Wiederholungsbereiche zusammengeführt werden.
Pyramidentraining – so geht’s
Der Maximalkrafttest als Basis.
Da der Trainingsaufbau des Pyramidentrainings über das sog. 1-RM (Einer-Maximum) bestimmt wird, bietet es sich an, genau diesen Wert vorher auf individueller Basis für sich selbst und zwar für jede in den Trainingsplan involvierte Übung zu bestimmen. Konkret versteht man darunter das maximale Gewicht, das man einmal im Zuge einer bestimmten Bewegung oder Übung heben kann und zwar ohne Hilfe und über den vollen Bewegungsablauf.
Zur Bestimmung des 1-RM gibt es nun die Möglichkeit der manuellen (dynamisch-progressiven) Ermittlung oder aber die Ermittlung über das Wiederholungsmaximum.
Wer sich bester Gesundheit erfreut, nicht gerade zu den blutigen Anfängern in Sachen Krafttraining zählt und einen guten Testpartner zur Seite stehen hat, sollte es mit dem dynamisch-progressiven Ansatz versuchen, da er die besseren Werte verspricht. Nach einem gründlichen Warm-Up wählt man ein Gewicht, von dem man glaubt, nur eine einzige Wiederholung damit zu schaffen und führt die jeweils zu testende Übung durch. Kann eine Wiederholung mit diesem Gewicht korrekt absolviert werden, wiederholt man nach einer Pause diesen Ablauf mit einem etwas höheren Gewicht so lange bis man ein Gewicht erreicht hat, mit dem eine saubere und vollständige Wiederholung nicht mehr möglich ist. Das Gewicht vor dieser letzten Wiederholung gilt dann als 1-RM.
Pyramidentraining ist eine optimale Möglichkeit zur Kraftsteigerung.
Die dynamisch-progressive Ermittlung liefert also sehr genaue Werte und ermöglicht eine schnelle Bestimmung des 1-RM, stellt aber eine hohe körperliche Belastung dar, die nicht unterschätzt werden darf.
Wer sich nicht an sein 1-RM heranwagen möchte, dafür aber in Kauf nimmt, etwas Zeit für eine weniger genaue Wertermittlung zu opfern, kann sein 1-RM auch über das Verfahren des Wiederholungsmaximums bestimmen. Bei dieser Technik wird die Maximalkraft über die Anzahl maximal möglicher Wiederholungen festgelegt. Nach dem Aufwärmen wählt man ein Gewicht, mit dem mehrere Wiederholungen ausgeführt werden können. Die maximale Anzahl der korrekt ausgeführten Wiederholungen dient der Ermittlung der Maximalkraft.
Wichtig ist zu wissen, dass die Ermittlung umso genauer ausfällt, je niedriger die Wiederholungszahl des Tests gewählt werden kann. Mit dem Ergebnis und einer simplen Dreisatzberechnung ist es anhand der Tabelle nun möglich, seinen 1-RM zu errechnen:
Wiederholungen |
% der Maximalkraft |
1 |
100% |
2 |
95% |
3-4 |
90% |
5-6 |
85% |
7-8 |
80% |
9-10 |
75% |
11-13 |
70% |
14-16 |
65% |
17-20 |
60% |
21-24 |
55% |
Beispiel:
wer 10 Wiederholungen mit einem Gewicht von 50 kg schafft, trainiert mit 75% seiner Maximalkraft. Daher beträgt das 1-RM 50:75x100 = 67 kg. Die Bestimmung des individuellen 1-RM-Wert stellt die Basis für ein zielgerichtetes, Erfolg versprechendes Pyramidentraining dar.
Die Modelle
Prinzipiell sind beim Pyramidentraining zwei Arten zu unterscheiden: die „normale“ und die „reverse“ Pyramide.
Die normale Pyramide
Das normale Pyramidentraining beginnt mit einem breiten Wiederholungsfundament bestehend aus zehn oder mehr Wiederholungen und einer dazu passenden verhältnismäßig niedrigen Gewichtsbelastung. Zielsetzung im Pyramidentraining ist immer das Erreichen der angestrebten Wiederholungszahl und Muskelversagen in jedem Satz.
Um aus einem Pyramidentraining 100% heraus zu holen, bietet es sich an, ein Trainingstagebuch zu führen und die Ergebnisse aller Workouts zu protokollieren. Dies gewährleistet zum einen volle Kontrolle über eine sich einstellende Leistungssteigerung. Zum anderen hilft es dabei, immer das richtige Trainingsgewicht für die jeweils angestrebte Wiederholungszahl zu wählen.
Mit dem normalen Pyramidentraining geht es erst einmal ausdauernden Muskelfasern vom Typ ST (slow twitch) an den Kragen, bevor im weiteren Verlauf starke FT-Fasern (fast twitch) mit höherem Maximalkraftpotenzial angesprochen werden. Wer es also neben der Zielsetzung Hypertrophie (Muskelwachstum) zudem auf die Ausbildung einer guten Kraftausdauerleistung abgesehen hat, ist mit der normalen Pyramide bestens bedient.
Liegt die Zielsetzung Kraftausdauer an erster Stelle, kann man sogar noch einen Schritt weiter gehen und sich dem Modell der abgestumpften normalen Pyramide bedienen, bei dem es nicht zu Sätzen unter Volllast, also mit dem 1-RM-Gewicht kommt.
Das Training einer Muskelgruppe nach der normalen spitzen Pyramide könnte wie folgt aussehen:
Wiederholungen |
Intensität von 1-RM |
10 |
70% |
8 |
85% |
2 |
95% |
1 |
100% |
Das Training einer Muskelgruppe nach der normalen stumpfen Pyramide sieht dagegen so aus:
Wiederholungen |
Intensität von 1-RM |
12 |
60% |
10 |
70% |
8 |
80% |
6 |
85% |
Die reverse Pyramide
Das reverse Pyramidentraining beginnt mit der Spitze bzw. dem schmalsten Bereich der stumpfen Pyramide und arbeitet sich von einem schmalen Wiederholungsfundament mit wenigen Wiederholungen und hohem Trainingsgewicht nach oben. Bis zum Ende des Trainings einer jeden Muskelgruppe viele Wiederholungen mit einem niedrigeren Gewicht ausgeführt werden.
Vom reversen Pyramidentraining sollte man wissen, dass es sich eher für die Ausbildung der Maximalkraft eignet, da der frische, noch erholte Muskel sich im Falle der spitzen reversen Pyramide als erstes seinem Maximalgewicht stellen muss und somit die Chance gegeben ist, in Sachen Trainingsgewicht Höchstleistungen abzurufen.
Die reverse Pyramide greift vornehmlich schnell verfügbare alaktazide-anaerobe Energiespeicher an. Auch bei der stumpfen reversen Pyramide startet das Training mit einer vergleichsweise niedrigen Wiederholungszahl und folglich einer hohen Gewichtsbelastung die verstärkt anaerobe Energiereserven anzapfen wird.
Um Verletzungen zu vermeiden, ist es gerade beim reversen Pyramidentraining von entscheidender Bedeutung, ausreichend aufgewärmt zu sein. Ein allgemeines Warm-Up für die Erhöhung der Körpertemperatur, Maximierung der Enzymaktivität und eine gute Durchblutung, gefolgt von einem speziellen Warm-Up für die notwendige Menge Gelenkschmiere und warme Muskeln sowie Sehnen sind das A und O.
Das Training einer Muskelgruppe nach der reversen spitzen Pyramide könnte wie folgt aussehen:
Wiederholungen |
Intensität von 1-RM |
1 |
100% |
6 |
85% |
8 |
80% |
10 |
70% |
Das Training einer Muskelgruppe nach der reversen stumpfen Pyramide:
Wiederholungen |
Intensität von 1-RM |
6 |
85% |
8 |
80% |
10 |
70% |
12 |
60% |
Sonderform doppelte Pyramide
Eine Sonderform des Pyramidentrainings für besonders hartgesottene Trainierende ist die sog. doppelte Pyramide. Hier werden jeweils eine normale und eine reverse Pyramide in der stumpfen Ausführung in einem Workout vereint, was ein sehr hohes Trainingsvolumen bedeutet. Nach einem Start im moderaten Wiederholungsbereich arbeitet man sich an die stumpfe Spitze mit einer niedrigen Wiederholungszahl vor, bevor man dann wieder zurück in den moderaten Wiederholungsbereich geht.
Beispiel für das Training einer Muskelgruppe nach der doppelten Pyramide:
Wiederholungen |
Intensität von 1-RM |
12 |
60% |
10 |
70% |
8 |
80% |
6 |
85% |
6 |
85% |
8 |
80% |
10 |
70% |
12 |
60% |
Das sagen Experten zum Pyramidentraining
Das Pyramidentraining gilt als Trainingsform, der enorme Zuwächse an Kraft und Muskelmasse nachgesagt werden. Ein Forscherteam der Universität São Paulo in Brasilien testete die Effekte von Pyramidentraining über 12 Wochen an Krafttraining erfahrenen Probanden im Alter von 20 bis 35 Jahren. Es wurden bewusst völlig verschiedene Körpertypen und Probanden mit unterschiedlicher Körperzusammensetzung gewählt.
Gruppe 1 des Tests absolvierte dreimal pro Woche ein klassisches Pyramidentraining mit stetig steigernder Intensität, während Gruppe 2 ein Trainingsprogramm mit reverser Pyramide vorgegeben bekam. Die Sätze fanden im Bereich von 4 bis 6 und 12 bis 14 Wiederholungen statt. Im Verlauf der Studie wurden nicht nur die Kraftwerte sondern auch das Dickenwachstum der Muskulatur (Hypertrophie) und Veränderungen der Körperzusammensetzung ausgewertet. Kontrollmessungen fanden zum Start der Studie, nach vier Wochen, nach acht Wochen, nach zwölf Wochen und eine Woche nach Ende des Trainingsprogramms statt.
Das Pyramidentraining ist insbesondere für Fortgeschrittene konzipiert.
Im Ergebnis stellte sich das Training mit der normalen Pyramide als Sieger bei der Körperzusammensetzung heraus, da nur hier signifikante Veränderungen des Körperfettanteils zu verzeichnen waren. Kraftsteigerungen und Muskelhypertrophie konnten bei beiden Gruppen verzeichnet werden, wobei zwischen den beiden Gruppen während der Trainingsphase kein nennenswerter Unterschied zu bemerken war. Bereits eine Woche nach Ende des Tests verbesserten sich die Werte jedoch auch hier in auffälliger Weise nochmals zugunsten des normalen Pyramidenaufbaus.
Fazit
Das Konzept des Pyramidentrainings stellt eine willkommene und effektive Trainingsvariante dar, die man für jede Zielsetzung im Bereich Kraftleistungen gewinnbringend einsetzen kann. Im Rahmen eines Makrozyklus lassen sich über das Jahr verteilt unterschiedliche Formen des Pyramidentrainings über das ganze Trainingsjahr einplanen, was zum einen Abwechslung und zum anderen stetigen Erfolg verspricht.