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No Pain No Gain - Wahrheit oder Quatsch?

„No Pain No Gain“, also ohne Schmerz keinen Erfolg - sehr einladend klingt dieser Spruch nun wirklich nicht! Deshalb lohnt es sich um so mehr, mal genau hinzuschauen, wie viel Wahrheitsgehalt sich dahinter verbirgt.

© nikolas_jkd - stock.adobe.com
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Viel Wirbel um „No Pain No Gain“ machte 2013 der Film Pain & Gain mit Mark Wahlberg und „The Rock“ Dwayne Johnson, bei dem es um eine Gruppe Bodybuilder geht, die auf schmerzliche Art und Weise nicht nur erfahren müssen wie es ist, Muskeln aufzubauen, sondern auch wie schmerzlich es sein kann, sich auf illegale Weise des Vermögens reicher Fitnessclub-Mitglieder zu ermächtigen. 

Eine wahre Begebenheit mit einer sehr verwirrenden Geschichte, die den Film trotz einer gewissen Tragik fast schon zur Komödie macht und auch die Fitness-Szene an sich, aufgrund der zweifelhaften Charaktere, nicht gerade von ihrer besten Seite zeigt.

Im Mittelpunkt soll hier aber keine Filmkritik oder die durch Pain & Gain sicher wieder entfachte Diskussion über das Für und Wider gängiger Praxis in der Fitness-Szene stehen, sondern es soll geklärt werden, inwieweit „Pain“ tatsächlich die Voraussetzung für “Gain“ ist.

 


Zwischen Laktatbildung im Muskel und Muskelkater gibt es keinen Zusammenhang.


 

GAIN = Wachstum

Wenn bei „no pain no gain“ die Rede von „Gain“ ist, steht dies für das Auslösen von Wachstum (gain = wachsen) der Muskulatur, im Fachjargon auch „Muskelhypertrophie“ genannt. Darunter versteht man eine Vergrößerung des Querschnitts der Muskulatur, welche durch ein Dickenwachstum von Muskelfasern ausgelöst wird. 

Abzugrenzen ist die Muskelhypertrophie ganz klar von der „Muskelhyperplasie“, bei der es zu einer Vermehrung von Muskelfasern im Muskel kommt. Anders als bei der Muskelhypertrophie lässt sich die Möglichkeit zur Einleitung einer Muskelhyperplasie durch Training bis heute nicht eindeutig nachweisen. Fakt ist, dass wir willentlich in der Lage sind, durch Training ein Dickenwachstum der Muskelfasern auszulösen und den Muskel dadurch wachsen zu lassen.

Voraussetzung für ein Wachstum ist eine Beanspruchung des Muskelapparates im jeweiligen Bereich über das aktuelle Leistungsniveau hinaus. Wir müssen durch Training also die Grenzen unserer muskulären Fähigkeiten nicht nur erreichen, sondern sie überschreiten, um einen Wachstumsreiz auszulösen. Dabei kommt PAIN ins Spiel.

 

PAIN = Schmerz

Der Begriff PAIN steht für den Muskelschmerz. An dieser Stelle sollen alle Arten von Muskelschmerzen außen vor gelassen werden, die als Symptome für bestimmte Krankheitsbilder und Infektionen wie beispielsweise Erkältungen, Grippe, bestimmte rheumatische Erkrankungen, Zeckenstiche gelten. Wir beschränken uns hier auf zwei Arten von Muskelschmerz, die entweder bereits während körperlicher Anstrengung oder als Ergebnis einer körperlichen Anstrengung entstehen:

  • Muskelbrennen durch Milchsäureansammlung (Laktat-Akkumulation)
  • Muskelkater

 

PAIN Phase 1: Milchsäureansammlung

Während Muskelkater tatsächlich eine Art von Muskelschmerz ist, kann man das Brennen eines übersäuerten Muskels lediglich im übertragenen Sinne als Muskelschmerz bezeichnen. Milchsäure (Laktat) entsteht im Muskel immer dann, wenn wir einen Muskel belasten. Sie wird aber über die Sauerstoffaufnahme des Körpers gleich wieder abtransportiert.

Zur Laktatbildung kommt es durch muskuläre Belastung immer dann, wenn wir Kraftübungen so intensiv ausführen, dass nennenswerte Wachstumsreize ausgelöst werden. Wir strengen dabei den Muskel so stark an, dass der Körper nicht mehr in der Lage ist, die erforderliche Sauerstoffmenge aufzunehmen, um die Milchsäure zu beseitigen. So wird die Milchsäure im Muskel angesammelt und erzeugt nun das allseits bekannte Brennen im Muskel, welches in vielen Fällen den Grund für Leistungseinbußen oder sogar einen Leistungsabbruch darstellt.

Milchsäureansammlung ist PAIN, aber nicht gefährlich und in der Regel auch nur von kurzer Dauer. Sie ist dennoch als notwendiges Übel für Wachstum anzusehen.

 


Schmerz ist nicht zwangsläufig eine Voraussetzung für Wachstum.


 

PAIN Phase 2: Muskelkater 

Der Muskel erholt sich von einer Milchsäureansammlung relativ schnell wieder. Nach Beendigung der Trainingseinheit wird schnell wieder für ein Gleichgewicht der Körperfunktionen (Homöostase) in den trainierten Muskeln gesorgt und so im Rahmen des Regenerationsprozesses die überflüssige Milchsäure entfernt. Sie wandert größtenteils entweder zur Leber oder in andere Muskelgruppen, wo sie als Energiesubstrat weiter genutzt werden kann. 

Was allerdings in den folgenden 24-48 Stunden auftreten kann, ist PAIN Phase 2, nämlich Muskelkater. Anders als immer noch vielfach behauptet, haben Muskelkater und PAIN-Phase 1 (Laktatansammlung) absolut nichts miteinander zu tun. Wäre dem so, hätten wir mit Muskelkater nicht erst 24 oder gar 48 Stunden nach einem intensiven Training, sondern bereits direkt anschließend damit zu kämpfen. Wenn die Zeit für Muskelkater gekommen ist, sind alle Spuren einer Laktatansammlung längst wieder aus dem Muskel beseitigt. 

Als Muskelkater bezeichnet man eine Erscheinung, die nach ungewohnter oder intensiver Belastung auftritt und die Überbelastung eines bestimmten Muskelbereichs signalisiert. Im Rahmen eines „normalen“ Muskelkaters kommt es zu Schmerzen, nämlich zu Verspannungen und Verhärtungen der Muskulatur, Bewegungsschmerzen und einer erhöhten generellen Schmerzempfindlichkeit bei Berührungen der betroffenen Muskulatur. Muskelkater verringert zudem die Leistungsfähigkeit des involvierten Muskelbereichs. 

 


Muskelkater tritt vor allem bei exzentrischen Belastungen auf.


 

Ursache für einen Muskelkater ist eine Schädigung muskulärer Strukturen, die besonders ausgeprägt bei exzentrischen Belastungen, also wenn sich Ansatz und Ursprung eines Muskels voneinander weg bewegen, auftritt. Zugkräfte, die im Rahmen des Muskeltrainings frei werden, schädigen die sog. zusammenziehbaren (kontraktilen) Elemente in der Muskelfaser. Man nennt dies auch Mikrotrauma, bei dem muskuläre Strukturen förmlich auseinander gerissen werden. 

Mikrotraumen sorgen nun für eine Schwellung der Muskelfaser, die wiederum auf die umliegenden Nervenfasern drückt und so die bekannte Schmerzsymptomatik auslöst. Zusätzlich gebildete entzündungsfördernde Substanzen (Entzündungsmediatoren) unterstützen die Schmerzbildung.

All diese Vorgänge benötigen natürlich eine bestimmte Zeit, bis sie sich voll ausprägen und so kommt es zum zeitlichen Versatz zwischen dem eigentlich ursächlichen Training und PAIN-Phase 2, dem Muskelkater. Was sich schlimm anhört, ist eine völlig natürliche und auch keinesfalls gefährliche Sache, bei der wir mit irgendwelchen dauerhaften Schäden zu rechnen haben. Entscheidend ist jedoch die Frage, ob PAIN Phase 2 die Voraussetzung für GAIN ist. Hierzu ist zu sagen, dass nicht jedes wachstumsträchtige Workout in einem starken Muskelkater zu enden hat. Der Muskelkater kann als solches aber durchaus ein Indiz darstellen, dass wir die eingangs beschriebene notwendige Voraussetzung für GAIN, nämlich einen überschwelligen Wachstumsreiz ausgelöst haben.

 

Fazit:

„No Pain No Gain“ – hinter diesem Spruch verbirgt sich tatsächlich ein gewisser Wahrheitsgehalt. Der Weg zu zusätzlichen Muskeln führt oftmals, aber nicht zwangsläufig, über die eine oder andere im wahrsten Sinne des Wortes „schmerzliche“ Erfahrung.