Urlaubszeit contra Alltag
Wenn Du an Deine letzten Urlaube zurückdenkst, so gibt es bei allen Unterschieden doch einige Gemeinsamkeiten. Wohin die Reise auch ging, ob Du eher Wellness-, Bade-, Rucksack-, Sport- oder Sightseeing-Urlaub gemacht hast, eines war allen gemeinsam: Zeit. Du hattest Zeit für Dich, Zeit für schöne Dinge, für Unternehmungen, die Dir Spaß machen, Zeit für Genuss und Muße.
Wie können wir diese wertvolle Zeit im prall gefüllten Terminkalender in unserem Alltag wiederfinden? Unser Alltag ist das genaue Gegenteil: Zeit ist Mangelware, sie fehlt uns praktisch jeden Tag. Wir hetzen von Termin zu Termin, wühlen uns durch schier endlose Aufgabenberge, ständig klingelt das Telefon, unser Mail-Account läuft mit unbeantworteten Mails über und abends sind wir zu erschöpft, um unsere Zeit kreativ zu füllen.
Für Sport und Entspannung haben wir keine Zeit. Was wir auch tun: Die Aufgaben werden einfach nicht weniger. Unser Kopf ist voller Planungen, Sorgen und Gedanken, unser Schreibtisch biegt sich unter den Papierbergen, die Wäsche ist auch noch nicht gemacht und unsere Pinnwand am Kühlschrank quillt über vor lauter Memo-Zetteln.
Physiologie im Urlaub
Im Urlaub tickt unsere Zeit anders: unser Tempo verlangsamt sich automatisch, wir haben und lassen uns Zeit. Oft lassen wir die Armbanduhr im Koffer und hören auf die innere Uhr. Der Akku des Handys wird nicht mehr aufgeladen, der eMail-Account nicht gecheckt. Und wir schlafen viel länger, besser und häufiger auch mal zwischendurch: manchmal am Strand, manchmal auf dem Balkon oder der Terrasse unseres Urlaubsparadies.
Unser Körper merkt diese Umstellung im Urlaub besonders schnell. Wenn wir angespannt und aktiv sind, arbeiten und planen, ist der Sympathikus unseres vegetativen Nervensystems aktiv. Er sorgt dafür, dass wir konzentriert sind und angemessen auf Reize reagieren können. Einst warnte er uns vor wilden Tieren sowie anderen Gefahren und ermöglichte uns damit Kampf und Flucht. Das ist heute zumeist nicht mehr nötig. Und doch funktioniert unser Körper noch auf gleiche Weise. Ist der Sympathikus aktiv, beschleunigt sich unsere Atmung, unsere Muskeln sind immer leicht gespannt, der Blutdruck steigt und unser Puls ist erhöht. Wir sind stets bereit – auf dem Sprung. Das ist Stress.
In besonders stressigen Zeiten ist der Sympathikus ohne Unterbrechung aktiviert. Das hat ungesunde Folgen für unseren Körper und unsere Psyche. Herzinfarkt, Schlaganfall, Magen-Darm-Erkrankungen, Migräne, Schlafstörungen, Depressionen und Angstzustände sind nur einige der unmittelbaren Folgen von dauerhaftem Stress. Stress begünstigt auch Übergewicht und macht bei Diabetikern die Blutzuckerwerte schlecht.
Ganz anders fühlen wir uns, wenn der Gegenspieler des Sympathikus aktiv ist: der Parasympathikus. Er ist für unsere Regeneration und Erholung verantwortlich und sorgt für ein ruhigeres Tempo. Unsere Atmung verlangsamt und vertieft sich, der Herzschlag wird ruhiger und der Blutdruck sinkt. Er schützt uns vor den Stressfolgen und sorgt für unsere Gesundheit.
Es kann immer nur einer der beiden Anteile des vegetativen Nervensystems aktiv sein. Durch Entspannung aktivieren wir den Parasympathikus: Im Urlaub beim Relaxen am Strand oder auf dem Balkon, beim gemütlichen Eisessen an der Promenade oder beim Dösen in der Hängematte. Der aktive Parasympathikus lässt uns wohlfühlen und stellt automatisch einen Gang runter.
Nur mit dem Parasympathikus ist es möglich zu entspannen.
Im Alltag den Parasympathikus aktivieren
Im Alltag fällt es uns wesentlich schwerer als im Urlaub, den Parasympathikus zu aktivieren. Aber ausschließlich mit seiner Hilfe ist es uns möglich, zu entspannen und Stress abzubauen. Selbst unsere Freizeit ist durchzogen mit Leistungsdenken, Organisieren, Ablenkung und Perfektionismus. Beim Sport werden Werte und Zeiten in Tabellen eingetragen und Wettkämpfe ausgefochten, beim Stricken und Malen läuft der Fernseher, gelesen wird zwischendurch in Bus oder Wartezimmer, unser Garten muss der schönste sein und unser Hund der wohlerzogenste.
Das ganze Leben ist ein Wettkampf. Hat die Nachbarin nicht einen schöneren Garten und hat der Nachbar nicht das Auto schon wieder geputzt? Und ich – und wir? Der schnelle Kaffee zwischendurch puscht uns, PC, Tablet oder Smartphone vertreiben uns die Zeit und mit Hilfe von Alkohol schlafen wir abends leichter ein. Meinen wir.
All das ist jedoch weit entfernt von wirklicher Entspannung und niemals in der Lage, den Parasympathikus zu aktivieren. Kein Wunder, dass der Stresspegel wächst und wächst und wir schon kurz nach dem Urlaub wieder reif für die Insel sind!
Tipps für den Urlaub im Alltag
Wenn wir unser tolles und gesundes Urlaubsfeeling in den Alltag mitnehmen und langfristig Stress abbauen wollen, müssen wir unser Freizeitverhalten überdenken und bewusst entspannende Elemente einbauen. Ganz bewusst. Wir müssen uns vom Leistungsdenken in der Freizeit verabschieden und teils liebgewonnene Gewohnheiten in Frage stellen. Nur so können wir den Urlaub verlängern und die Wartezeit bis zum nächsten verschönern. Und gesund entspannt leben.
Nicht erreichbar sein!
Smartphone, Handy und E-Mails machen es möglich, dass wir überall und rund um die Uhr erreichbar sind und ständig unser tägliches Tun via Facebook und Co. unseren Freunden und Bekannten mitteilen können. Wenn Du ganz ehrlich bist: Wirklich Wichtiges wird nur selten über diese Wege mitgeteilt. Die deutliche Mehrzahl der Nachrichten ist verzichtbar und kann auch mal ein paar Tage oder zumindest Stunden warten. Noch vor Jahren ging es ganz ohne – und war das wirklich schlechter?
Die ständige Erreichbarkeit hat natürlich Vorteile: Du kannst Nachrichten hinterlassen, der andere kann antworten, wenn er Lust und Zeit hat. Kein Warten in der Telefonschleife, kein ständiges Hinterhertelefonieren und selbst das Abhören des ABs scheint überflüssig geworden zu sein.
Die natürlichste Entspannungsmethode ist der Schlaf.
Jedes Liken und Kommentieren der eigenen Nachrichten von Freunden puscht unser soziales Image – und macht uns zum Facebook-Junkie. Aber es macht auch Druck und Stress, denn Du bist nie allein. Das merkst Du am ehesten, wenn Du Dir Folgendes vornimmst und spürst, wie schwer es Dir fällt: Schalte aus. Beginne mit einem Abend in der Woche, an dem Du all die technischen Geräte ausgeschaltet lässt.
Vielleicht merkst Du bald, dass Du nichts versäumst und schaffst es, einen ganzen Samstag oder Sonntag ohne Smartphone, Handy, PC und Co.? Du wirst merken, wie viel Zeit Du gewinnst, und wie viel Zeit Du vorher mit Facebook, E-Mails, SMS und Ähnlichem verbracht hast. Was machst Du mit dieser gewonnenen Zeit? Zeit für wirkliche Entspannung und Regeneration. Unsere Kinder können nur lernen, was wir ihnen vorleben. Lebe ihnen ein bewusstes Leben vor.
Sei spontan!
Wir verbringen viel Zeit in unserem Alltag mit Planen, Organisieren, dem Einhalten von Terminen und Fristen. Selbst unsere Freizeitaktivitäten sind exakt geplant: Die Konzertkarten werden oft schon Monate vorher gekauft, der Termin für ein Treffen mit Freunden steht Wochen vorher und unser Yoga Kurs ist immer Mittwoch abends.
Das hat natürlich alles seine Berechtigung und seinen Sinn. Und doch sollten wir dabei nicht völlig übersehen, dass unserer Seele manchmal nach ganz anderen Dingen der Sinn steht und wir unseren vollgestopften Zeitplan daher entleeren sollten, ja müssen, um Zeit für Spontanes zu gewinnen.
Spontaneität tut gut! Sie tut Dir und den Menschen, die Dich umgeben, einfach gut. Das weißt Du aus Deinem letzten Urlaub, wo Du einfach spontan aus der Hängematte in den Pool gewechselt bist, oder die Flip-Flops gegen Turnschuhe für die nächste Laufrunde getauscht hast, ohne nach der Zeit und dem Plan zu fragen.
Wonach steht Dir heute der Sinn? Eine Runde mit dem Fahrrad fahren? Ein Besuch im Theater, Kino oder im Schwimmbad oder Fitnesscenter oder einfach nur mal gemütliches Kuscheln auf dem Sofa? Halte Dich mindestens drei Abende die Woche frei für Spontanes. Und an diesen Abenden lege Deine Armbanduhr ab und gebe Dich einfach mal zeitlos hin.
Schlafe gesund!
Der größte Unterschied zwischen Urlaub und Alltag findet sich in unseren Schlafgewohnheiten. Schlaf ist die natürlichste Entspannungsmethode und die einfachste, um den Parasympathikus zu aktivieren. Im Schlaf regeneriert unser Körper, unser Kopf hat Pause und unsere Psyche kann Bilder und Erfahrungen verarbeiten.
Im Alltag kommt der Schlaf im wahrsten Sinne des Wortes oft zu kurz. Oft sitzen wir noch abends an Aufgaben und arbeiten Liegengebliebenes nach. Oder wir sind unterwegs im Kino, mit Freunden in der Cocktailbar oder beim Sport. Nicht selten legen wir uns erst nach Mitternacht ins Bett, fallen nach einem langen und aufregenden Tag in einen erschöpften Schlaf und müssen am nächsten Morgen wieder früh auf der Matte stehen, um den nächsten Arbeitstag anzugehen.
Stressige Zeiten sind schlecht für Körper und Geist.
Abends zum Einschlafen greifen wir zum Alkohol und morgens zum Wachwerden zum Kaffee. Doch diese Dinge können den kostbaren und gesunden Schlaf nicht ersetzen. Im Urlaub schlafen wir viel. Selbst wenn wir spät ins Bett gehen, so ruhen wir uns doch am nächsten Tag aus und müssen nicht schon früh wieder leistungsfähig sein. Wir legen uns auch zwischendurch mal hin, wenn uns Müdigkeit überkommt.
Höre auch im Alltag auf Deine innere Uhr: Gehe abends ins Bett, wenn Du Müdigkeit spürst. Nichts ist unentspannter als das Einschlafen vor dem laufenden Fernseher auf dem Sofa, wo die Geräusche und Lichtquellen ständig unseren tiefen, gesunden Schlaf stören. Am besten schalte mindestens eine halbe Stunde, bevor Du zu Bett gehst, Fernseher, Smartphone und PC aus und mache nichts Anstrengendes oder Aktivierendes mehr.
Stattdessen trinke vor dem Zubettgehen in Ruhe einen warmen Kräutertee, mache einen langsamen fünfzehn minütigen Spaziergang oder nehme ein warmes Bad. Trage alles, was abends noch in Deinem Kopf rumgeistert in ein Tagebuch ein, so dass Dich diese Gedanken nicht länger beschäftigen müssen. Durchschnittlich brauchen wir 6 bis 8 Stunden Schlaf pro Nacht. Und denke daran, man kann nicht vorschlafen oder den Schlaf nachholen.
Sei nicht perfekt!
Unser Perfektionismus ist uns in Fleisch und Blut übergegangen. Wir merken gar nicht mehr, wie sehr wir uns tagtäglich unter Druck setzen, alles zu schaffen, möglichst fehlerfrei und makellos aufzutreten. Immer eine Eins, immer null Fehler. Dabei bleibt nichts vor unserem kritischen Auge verschont: wir selbst, unser Outfit, unsere Wohnung, unsere Kinder, unser Garten, unser Sport, unser Auto und unsere Arbeit.
Im Urlaub schaffen wir es gut, uns auf ein sinnvolles und völlig ausreichendes Maß zu reduzieren: wir lassen Beautycase, Nagellack und perfektes Outfit im Zimmer, während wir uns am Pool oder auf dem Surfbrett vergnügen. Erst abends, wenn wir ausgehen wollen, stylen wir uns mit Vorfreude und Spaß.
Im Alltag ist es meist eine Pflichtübung, sich zurecht zu machen. Wenn Putzen Dein Ersatzsport und Stylen Ausdruck Deiner Kreativität ist, dann mögen diese Dinge nur wenig Stress verursachen. Jedoch solltest Du im Alltag immer das Maß im Auge behalten: wenn ein wichtiges Projekt Dich zu Überstunden zwingt, bleibt die Frage, ob das Fensterputzen wirklich abends noch notwendig ist? Wenn Dein Kind Dich braucht, weil es krank ist, überlege, ob die Maniküre oder das Putzen des Autos nicht ein paar Tage warten können. Kündigen sich Freunde für einen Besuch an, überlege, ob die Wohnung tatsächlich bis in den letzten Winkel geschrubbt sein muss und Du panisch durch die Gegend laufen musst, anstatt sich auf den Besuch zu freuen und vielleicht ein schönes Essen vorzubereiten.
Musst Du auch beim Sport wirklich der Leistungsträger sein, oder ist es nicht sinnvoller, den Sport als Ausgleich zum stressigen Beruf zu nutzen? Perfektionismus macht uns krank. Er lenkt uns von wirklich wichtigen Dingen ab, erhöht den Blutdruck dauerhaft und lässt uns nicht zur Ruhe kommen.
Weniger ist mehr. Überdenke Deine Prioritäten und Deinen Anspruch an Dich selbst und das, was Du tust. So gewinnst Du nicht nur Zeit für Wesentliches, sondern baust zudem aktiv Stressfallen ab.
Vegetatives Nervensystem
Das vegetative Nervensystem bildet sich aus drei Komponenten: dem Sympathikus, dem Parasympathikus und dem enterischen Nervensystem. Mit diesen drei Systemen werden die Vitalsysteme wie Atmung, Blutdruck, Stoffwechsel und Verdauung gesteuert. Die Steuerung funktioniert unabhängig vom Bewusstsein. Das vegetative Nervensystem wird deshalb auch als autonomes Nervensystem bezeichnet.
Studie: Vor allem junge Menschen entspannen sich im Urlaub schlechter
Bei einer Befragung der DAK zum Thema Entspannung im Urlaub gaben 75% an, sich gut erholt zu haben. Die Gründe hierfür sind Sonne, Natur und der Verzicht auf Handy und Internet. Aber vor allem Menschen zwischen 30 und 44 Jahren fällt es schwer vom Job abzuschalten. Mehr als die Hälfte der Befragten machte diese Angabe. Andere Angaben waren die ständige Erreichbarkeit für den Arbeitgeber und Stress in der Familie.