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Faszinierende Faszien

Warum können Kängurus so weit springen? Obwohl sie sehr starke Beine haben, reicht diese Kraft nicht aus, um Sprünge bis zu neun Meter ausführen zu können. Die Kraft kommt vielmehr aus den Sehnen und Faszien dieser Tiere. Wir erklären, wie Faszientraining für mehr Wohlgefühl im Alltag sorgt.

© mihakonceptcorn – stock.adobe.com
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Vielleicht ist der Begriff „Faszie“ im allgemeinen Sprachgebrauch nicht so geläufig, der Begriff Bindegewebe aber umso mehr. Bereits seit 2007 werden beide Begriffe parallel verwendet. Bis zu diesem Zeitpunkt wurden Faszien eher als „Verpackungsmaterial“ für die Muskulatur ohne Funktion gehalten. Durch neue Messmethoden wie Echtzeit-Ultraschallgeräte und Magnetresonanztomographie konnte gezeigt werden, dass Faszien sich durch den ganzen Körper wie ein Netzwerk ziehen und vielfältigere Aufgaben übernehmen, als bis dahin gedacht. 

 

Struktur der Faszien

Wer schon mal Fleisch geschnitten hat, weiß, wie Faszien aussehen. Die glänzende Schicht, die vor dem Anbraten oftmals entfernt wird, das sind Faszien. Sie bestehen aus Wasser, Eiweiß, Zucker-Eiweißverbindungen und Klebstoffen. Diese Strukturen durchziehen den ganzen Körper und bilden ein großes Netzwerk, das nicht nur Muskeln, Knochen und Organe umhüllt, sondern auch miteinander verbindet oder voneinander abgrenzt. Das Fasziennetzwerk gibt dem Körper seine Form. Wären die Muskeln nicht von Faszien umhüllt, würden sie einfach auseinanderfallen.

Im Optimalfall ziehen sich Faszien als Gitterstruktur über die Muskulatur. Bei jungen und sportlich aktiven Menschen ist das Fasziengewebe wellenartig strukturiert. Das erinnert an eine Feder, auf der keine Spannung lastet. Bei einer Belastung werden die „Federn“ erst gespannt, die Energie freigesetzt und dann kehren sie in ihren Ausgangszustand zurück. 

Bei inaktiven oder älteren Menschen sieht das Fasziensystem etwas anders aus. Durch Verklebungen ist von der Gitterstruktur der Jugend nur noch wenig zu sehen. Die Faszien sind weniger elastisch und anfälliger für Risse durch Zugbewegungen. Ähnlich wie die Muskulatur ist aber auch das Fasziengewebe im höheren Alter noch gut trainierbar. Mit kontinuierlichem Training lassen sich Verklebungen lösen, was zu einem besseren Wohlbefinden führt.

 


Viel trinken hält die Faszien flexibel.


 

Faszien und Rückenprobleme

80% der Deutschen hatten schon einmal Rückenschmerzen. Häufig bleibt die Ursache unerkannt. Probleme mit den Bandscheiben sind es nur für etwa 20% der Betroffenen. Mittlerweile werden verspannte und verklebte Faszien stärker als Verursacher von Schmerzen wahrgenommen. Da viele Schmerzrezeptoren an den Faszien sitzen, liegt diese Vermutung nahe. Wer also sein Fasziennetzwerk trainiert, kann Rückenschmerzen effektiv verringern.

 

Faszien können trainiert werden

Die menschlichen Faszien werden nach vier unterschiedlichen Prinzipien trainiert: dem Self Myofascial Release, Faszienstretching, Rebound Elasticity und Sensory Refinement. Die bekannteste Form ist Self Myofascial Release oder kurz SMR. 

Dabei werden die Faszien von außen mit einer Hartschaumrolle oder kleinen Bällen wie z.B. Tennisbällen massiert. Das Ziel des Ausrollens ist es, verklebte Faszien zu lösen. Man kann sich das wie das Ausrollen einer Pizza vorstellen. Der ausgerollte Teig soll möglichst glatt werden. An Stellen, die verdickt sind, wird weiter gerollt, bis der Teig die gewünschte Form hat. Für ein optimales Ausrollen sollte man die Faszien langsam und bewusst ausrollen. 

 


Faszientraining kann gegen Cellulite helfen.


 

Diese Technik eignet sich aber auch hervorragend zum Auf- und Abwärmen. Beim Warm-up werden die Faszien etwas zügiger, aber auch kürzer (10-15 Sekunden) ausgerollt. Darüber hinaus kann SMR bei akuten Schmerzen Linderung bringen. Im Gegensatz zur Pizza, die von oben mit einem Wellholz bearbeitet wird, liegt der Körper beim Faszientraining auf der Rolle und bewegt sich über diese. Das trainiert zusätzlich die Rumpfmuskulatur. 

Beim Faszienstretching wird versucht, die Faszien-Gitterform in möglichst viele Richtungen zu dehnen, die Faszien so möglichst maximal zu fordern, um das bestmögliche Training zu erreichen. Doch, wie funktioniert das in der Praxis? Am Beispiel der Dehnung der Oberschenkelrückseite soll das kurz gezeigt werden. Das rechte Bein wird beinahe gestreckt auf einem Stuhl abgestellt. Nun wird der Oberkörper nach vorne Richtung Sprunggelenk bewegt. Der Rücken bleibt dabei gerade. Nach einem kurzen Verharren in dieser Position wird sie gelöst und eine Dehnung z.B. in Richtung der Fußaußenseite ausgeführt, dann zur Fußinnenseite und in Richtung Unterschenkel. So wird das Fasziengitternetz in viele Richtungen gezogen und gedehnt. 

 

Wie ein Katapult

Die Rebound Elasticity beschreibt genau den Effekt, warum das Känguru so weit springen kann. Sehnen und Bänder des Tieres werden vorgespannt und die gespeicherte Energie dann wie bei einem Katapult explosionsartig freigesetzt. 

Nicht nur die Tierwelt profitiert von dem Katapult-Effekt, sondern auch der Mensch. Beim Springen, Gehen und Laufen tritt dieser Effekt auf. Wie dieses Prinzip effektiv in die Praxis umgesetzt werden kann, zeigte der Amerikaner Jeff Galloway bei einem Marathonlauf. Er legte alle zwei bis drei Kilometer einminütige Gehpausen ein. Und das schon zu Beginn des Laufs. Zwar wurde er von den anderen Läufern belächelt, aber diese Methode erlaubt es, den Gehpausen zum Trotz, ein konstantes Lauftempo einzuhalten und am Ende viele Mitläufer zu überholen, die vielleicht etwas voreilig gelächelt hatten. Doch, was steckt dahinter? Durch die Gehpausen erholen sich die Faszien besser als bei konstantem Lauftempo. Durch die Vordehnung beim Laufen kann der Energieaufwand verringert werden. 

 


Das Fasziensystem ist bis ins hohe Alter trainierbar.


 

Das vierte Prinzip des Faszientrainings, das „Sensory Refinement“, kann mit Wohlspürigkeit übersetzt werden. Hierbei geht es um die bewusste Wahrnehmung von Bewegungen. Wer schon einmal eine Yoga- oder Pilates-Stunde besucht hat, kann das Gefühl der bewussten Wahrnehmung gut nachvollziehen. Es geht aber auch darum, dass jeder Mensch in seinem Körperbau und seinen Lebensumständen individuell ist und spezielle Bedürfnisse beim Training hat. 

Robuste, große Typen werden niemals die Eleganz einer Ballerina entwickeln und diese niemals die Stärke eines Kraftsportlers. Wenn die elegante Ballerina kräftigende Elemente mit Faszienaktivierung in ihr Training einbringt, so wird sich ihr Körpergefühl positiv verbessern. Da an den Faszien ein großer Teil der Schmerzrezeptoren sitzt, kann durch ein Faszientraining das Körpergefühl deutlich gesteigert werden.

 

Faszientraining in der Praxis

Für den Einstieg in das Faszientraining bietet sich Self Myofascial Release an. Durch das Ausrollen mit der Rolle spürt man schnell, wie sich die Verklebungen lösen und die anfänglichen Schmerzreize weniger werden. Rollen und Bälle gibt es in unterschiedlichen Härtegraden und Formen. Zu Beginn sollte man den Härtegrad „weich“ oder „mittel“ verwenden. Bälle eignen sich besonders gut für Stellen, die man mit der Rolle sonst nur schwer bearbeiten kann, wie z.B. die Kniekehle oder die Fußsohle. 

Beim Ausrollen der einzelnen Körperstellen gibt es Regionen, in denen mehr Schmerz spürbar ist als an anderen. Diese werden durch langsames, intensives Ausrollen in unterschiedliche Richtungen gelöst. Schon nach der ersten Trainingseinheit verbessert sich das Körpergefühl spürbar. Bei einem kontinuierlichen Training mit ein bis zwei Trainingseinheiten pro Woche fühlt man sich deutlich wohler und die Schmerzpunkte reduzieren sich. Nicht nur das körperliche Wohlgefühl lässt sich steigern, auch Cellulite kann damit langfristig bekämpft werden.

 


Viel Sitzen lässt die Faszien verkleben.


 

Tipps fürs Faszientraining

  • 1- bis 2-mal wöchentlich trainieren.
  • Jede Übung etwa eine Minute durchführen.
  • Gleichmäßig rollen.
  • Ablenkung vermeiden.
  • Schmerzpunkte intensiv in verschiedene Richtungen ausrollen.

 

Quellenangaben:
Frau lila Rolle: 
Miljan Živković – stock.adobe.com
Frau Büro: 
sorapop – stock.adobe.com
Frau Fitnessstudio: Lars Zahner – stock.adobe.com