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Warum nehmen wir zu?

Diese Frage bewegt Millionen Deutsche. Nach eigener Einschätzung essen sie fast nichts und werden trotzdem immer dicker. Woran liegt das? Sind es irgendwelche „Dickmacher-Gene“ oder ist es Fehleinschätzung?

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Aber stellen wir diese Frage erst einmal einen Moment zurück und schauen uns die Realität an. Über zwei Drittel der deutschen Männer und über die Hälfte der deutschen Frauen sind übergewichtig.

Aber nicht nur Deutschland, sondern fast alle Länder sind von diesem Phänomen betroffen. Gleichzeitig leidet rund 10% der Weltbevölkerung an Hunger.

 

Nicht nur ein ästhetisches Problem

Übergewichtig oder gar adipös zu sein ist nicht nur ein ästhetisches, sondern vor allem ein gesundheitliches Problem. Übergewicht und Adipositas gehen einher mit Gelenkbeschwerden, Diabetes Typ 2, Bluthochdruck und vielen Krebserkrankungen.

Für den Einzelnen bedeuten Übergewicht und vor allem Adipositas eine schlechtere gesundheitliche Situation, verminderte Lebensqualität, reduzierte Lebenserwartung und zum Teil erhebliche psychische Folgen.


Übergewicht ist immer auch eine Folge von schlechten Lebensgewohnheiten.


 

Die Rolle der Evolution

Eigentlich haben dicke Menschen einen großen Vorteil: kommt eine Hungersnot, können sie deutlich länger überleben als ihre schlanken Zeitgenossen. Fett bedeutet nämlich gespeicherte Energie, auf die der Körper in Notzeiten problemlos zurückgreifen kann. Ein Kilogramm Körperfett enthält 7.000 Kilokalorien, also 700.000 Kalorien. Davon kann man schon mal einige Tage überleben, nämlich bei einem Grundumsatz von 1.750 kcal rund vier Tage. 

Laut Prof. Walter Siegenthaler aus Zürich kann ein normalgewichtiger Mensch etwa 60 Tage ohne Nahrung überleben, ein Übergewichtiger jedoch bis zu 200 Tage. Dies bedeutete in früheren Zeiten einen enormen Vorteil für Menschen mit entsprechendem Fettpolster. Sie gaben ihre Gene an nachfolgende Generationen weiter. 

Fett anzusetzen ist also biologisch betrachtet ein wichtiger Mechanismus, um den Fortbestand der menschlichen Art zu sichern. Wir tragen sozusagen „Hamster-Gene“ in uns und da Gene sich nur über sehr lange Zeiträume verändern, wird es vermutlich noch Zigtausende von Jahren dauern, bis sich unser Körper genetisch darauf eingestellt hat, dass Nahrung keine Mangelware mehr ist, sondern im Überfluss zur Verfügung steht. 

Die Ernährungsphysiologin Hannelore Daniel meint dazu: „Genetisch sind wir immer noch Jäger und Sammler. Wir sind an eine Umwelt angepasst, in der Kalorien etwas ganz Wertvolles waren“. Diese Kalorien werden „gehamstert“ und als Fettpolster eingelagert, wenn sie im Überfluss zur Verfügung stehen. 

Das war vor Jahrmillionen und ist noch heute so – nicht nur bei uns Menschen, sondern im gesamten Tierreich. Insofern hat die überaus praktische Funktion, Energie in Zeiten des Überflusses als Fett zu speichern und in Notzeiten wieder abrufen zu können, überhaupt erst die Entwicklung von Mensch und Tier bis in die Gegenwart hinein möglich gemacht.


Das Anlagern von Fett hat evolutionäre Gründe und soll den Körper in harten Zeiten nähren.


 

Jede Kalorie wird gebunkert

Was aber früher ein Vorteil war – und in Ländern, in denen auch heute noch Hungersnöte vorkommen, noch immer ein Vorteil ist – das ist in unserer Wohlstandsgesellschaft längst ein lästiges Übel. Nahrungsmittel stehen mehr als genug zur Verfügung und wir konsumieren auf Teufel komm raus Fast Food, Softdrinks, fette Speisen, Alkohol, Süßigkeiten, Kartoffelchips – alles, wonach uns gerade gelüstet. 

Aber jede Kalorie, die wir mehr konsumieren als wir verbrauchen, wird vom Körper unerbittlich zu Fett umgewandelt und für Notzeiten – wobei auch eine strenge Diät vom Körper als „Notzeit“ interpretiert wird – gebunkert. Bemerkenswert für die Entstehung des Übergewichts ist, dass es nicht die großen „Fressorgien“ sind, die zu den überzähligen Pfunden führen, sondern in der Regel kleine Überschüsse in der Energiebilanz.

Dazu ein einfaches Beispiel: Frau Müller hat einen täglichen Gesamt-Energieumsatz (Grundumsatz + Leistungsumsatz) von 2.000 kcal, führt aber über Ernährung und Getränke durchschnittlich 2.100 kcal zu. Somit hat sie eine positive Energiebilanz von 100 kcal pro Tag, das ergibt 36.500 kcal über ein ganzes Jahr. 

Diese Energiemenge entspricht ca. 5kg zusätzliches Körperfett. Würde sich Frau Müller fünf Jahre lang so ernähren, hätte sie 25kg Körperfett angesetzt – Frau Müller wird dick, weil sie über einen langen Zeitraum mehr Kalorien zu sich nimmt als sie „verbrennt“.


No Stress! Wer gestresst ist, greift öfter zu Süßigkeiten.


 

Die gute Nachricht

Die positive Nachricht ist, dass Frau Müller eigentlich nur 100 kcal pro Tag weniger konsumieren oder 100 kcal mehr verbrauchen muss, um zu einer ausgeglichenen Energiebilanz zu kommen. 100 kcal sind z.B. in einem Riegel Schokolade, in fünf Stückchen Würfelzucker oder in einer Scheibe Brot enthalten. Frau Müller könnte sich aber auch ein wenig mehr bewegen und dadurch 100 kcal mehr verbrauchen: eine halbe Stunde auf dem Laufband gehen, 20 Minuten Aerobic, eine Viertel Stunde Fahrradergometer – und schon sind die 100 kcal verbraucht. 

Will Frau Müller abnehmen, muss sie eine negative Energiebilanz herstellen, d.h. sie muss mehr Energie „verbrennen“ als sie zu sich nimmt. Die Differenz zwischen Energiezufuhr und Energieverbrauch muss negativ, aber keinesfalls zu hoch sein, um dem Jojo-Effekt und vor allem evtl. Heißhungergefühlen vorzubeugen. 200 kcal bis maximal 500 kcal pro Tag sind völlig ausreichend. 200 kcal bedeuten einen Abbau von ca. 10kg Körperfett pro Jahr, also eine ganze Menge! Eine negative Energiebilanz von 200 bis 500 kcal pro Tag ist normalerweise gesundheitlich unbedenklich.

 

Finger weg von Crash-Diäten!

Die meisten Diäten sind völlig ungeeignet, um gesund und nachhaltig Übergewicht abzubauen. Sie reduzieren die Kalorienaufnahme oft um mehr als 1.000 kcal/Tag, was fast zwangsläufig zum gefürchteten Jojo-Effekt führt. 

Genetisch ist das nach dem oben Gesagten leicht zu erklären. Bei einer wochenlangen starken Reduktion der Kalorienzufuhr geht der Körper davon aus, dass jetzt eine Notsituation vorliegt und er reagiert mit dem sogenannten „Hungerstoffwechsel“. Das bedeutet, dass Stoffwechsel und alle körperlichen Aktivitäten heruntergefahren werden, Muskelsubstanz wird abgebaut, das Immunsystem wird geschädigt, man wird antriebslos und empfindet früher oder später Heißhunger, was fast immer zu einem Abbruch der Diät führt.

Beendet man dann die Diät und ernährt sich wieder normal, zieht der Körper seine Konsequenzen und bunkert nun erst recht alle überzähligen Kalorien für die nächste „Hungersnot“. Da der Stoffwechsel während der Diät heruntergefahren wurde, nimmt man noch schneller zu als vor der Diät: der Jojo-Effekt lässt grüßen. 

Deshalb ist eine Gewichtsreduktion nur sinnvoll, wenn die Ernährung moderat reduziert und gleichzeitig ein Fitnesstraining – vor allem mit kräftigenden Elementen – durchgeführt wird. So wird ein Muskelabbau verhindert und der Stoffwechsel geht nicht runter. Das Körpergewicht wird bei dieser Methode zwar langsamer reduziert als bei einer Crash-Diät, aber man geht definitiv dem Jojo-Effekt aus dem Wege und bleibt gesund, weil Nähr- und Vitalstoffe nicht übermäßig reduziert werden.


Eine Diät ist nur in Kombination mit gesunder Ernährung und Fitnesstraining nachhaltig wirksam.


 

Dickmacher-Gene sind nicht an allem schuld

Viele Übergewichtige schieben die Schuld für ihren Zustand auf ihre genetische Veranlagung. Ganz falsch liegen sie damit nicht, aber auch nicht ganz richtig! Tatsache ist, dass es inzwischen ein ganzes Gen-Potpourris gibt, das man für Übergewicht und Adipositas verantwortlich macht. 

Tatsache ist aber auch, dass es nicht minder auf die Lebensumstände ankommt, ob man tatsächlich dick wird. Wer Dickmacher-Gene in sich trägt, nimmt bei ungünstiger Lebensweise schneller zu, das ist richtig. Ernährt man sich aber richtig und bewegt sich ausreichend, kann man auch trotz ungünstiger genetischer Veranlagung Übergewicht vermeiden.

Zahlreiche Studien haben außerdem bewiesen, dass adipöse Kinder meistens auch adipöse Eltern haben. Das liegt offensichtlich an der genetischen Veranlagung, aber auch an einem falschen Ernährungs- und Bewegungsbewusstsein in der Familie. Wer sein Übergewicht einzig und alleine auf seine Gene zurückführt, macht es sich zu leicht.

 

Vermeide UPF-Nahrungsmittel

UPF-Lebensmittel sind ultraverarbeitete Lebensmittel (ultra processed foods, UPF), wie Softdrinks und Fertigprodukte. In den letzten 30 Jahren ist ihr Konsum weltweit jedes Jahr gestiegen. Laut einer Publikation des Ernährungsforschers Professor Carlos A. Monteiro von der Universität Sao Paulo (Brasilien) sind für eine gesunde Ernährung nicht die Lebensmittel und Nährstoffe entscheidend, sondern der Grad der Verarbeitung (Public Health Nutr. 2009; 12: 729). Er prägte damals den Begriff „ultra-processed foods“. 

Ein hoher Konsum dieser Lebensmittel erhöht nicht nur das Risiko für Übergewicht und Adipositas, sondern ist auch für zahlreiche Erkrankungen verantwortlich, da sie in der Regel Zusatzstoffe wie Emulgatoren und Süßstoffe enthalten, die unter anderem das Darmmikrobiom beeinträchtigen können.


Familiäre Rahmenbedingungen und das Umfeld können Übergewicht bedingen.


 

Stress lass nach

Man weiß heute, dass unter Stress das Hungergefühl steigt. Der Hirnforscher Achim Peters hat die „Hunger-durch-Stress“-Theorie mit seinem Buch „Selfish Brain“ eindrucksvoll untermauert. Danach hat das Gehirn unter Stressbelastung einen höheren Energiebedarf und sendet daher Hungergefühle aus. Diese führen zu einer verstärkten Nahrungsaufnahme, aus der sich das Gehirn dann seine Energie bezieht, die aber auch zu Übergewicht führen kann.

Da viele Menschen heutzutage unter Dauerstress leiden, haben sie auch ständig Hunger. Hier eine Schokolade oder ein Stück Kuchen, da eine Cola oder Limo, dazwischen wird noch geknabbert. Das Gehirn belohnt uns dafür sogar noch mit der Ausschüttung des Glückshormons Dopamin, wodurch der Hang für Süßes zwischendurch noch weiter verstärkt wird.

Wer zu Übergewicht neigt, sollte sich daher auch Gedanken zu seiner Stressbelastung machen. Natürlich kann man nicht jedem Stress aus dem Wege gehen, aber man kann einiges dafür tun, mit Stress fertig zu werden (siehe frühere Artikel in der FITNEWS zu diesem Thema). 

Seitdem die Wissenschaft einen eindeutigen Zusammenhang zwischen Übergewicht und Stressbelastung nachgewiesen hat, weiß man, dass es nicht nur auf die richtige Ernährung und Bewegung ankommt, sondern auch auf die richtige Entspannung.

 

Fazit

Übergewicht kann verschiedene Ursachen haben – Gene, familiäre Umstände, falsche Lebensgewohnheiten, Stress. Aber trotz ungünstiger genetischer Veranlagung kann man viel dafür tun, nicht zuzunehmen: ausgewogene Ernährung, viel Bewegung, Stress reduzieren. Wer so lebt, kann Übergewicht definitiv vermeiden.

 

 


Bildquellen:

Textbild 1: TATIANA - stock.adobe.com

Textbild 2:  nenetus - stock.adobe.com