Viele Erfindungen der letzten Jahre dienen dazu, uns das Leben „leichter" zu machen und uns Arbeiten abzunehmen, die früher noch mit großer körperlicher Anstrengung verbunden Warensendungen . Moderne Verkehrsmittel befördern uns schnell und bequem über große Entfernungen, Rolltreppen und Aufzüge ersparen uns die kleinen Wege. Der tägliche Fußweg hat sich von 30 km in der Steinzeit auf eine durchschnittliche Gehstrecke von 400 m verringert. Wir verbringen also den größten Teil unseres Alltags im Sitzen, Liegen oder Stehen.
Die Natur des Menschen und seine genetische Veranlagung sind jedoch nicht auf diese Unterforderung hinsichtlich regelmäßiger Belastung und Bewegung eingestellt. Die Leistungsfähigkeit des Körpers passt sich den Anforderungen an und nimmt bei Unterforderung entsprechend ab. Bezogen auf die physischen Voraussetzungen des Menschen kann man sogar von einer rückläufigen Evolution sprechen.
Alle Strukturen unseres Körpers brauchen also unbedingt regelmäßige Anforderungen und Belastungen, um gesund zu bleiben. Knochen erhalten durch regelmäßige Zug- und Druckbelastungen ihre Festigkeit, Gelenke werden durch Bewegung „geschmiert", eine ausreichende Versorgung der Gelenkknorpel wird gewährleistet und die Kraft der Skelettmuskulatur verbessert. Fehlende Belastungsreize resultieren oft in chronischen Schmerzzuständen im Schulter- und Nackenbereich, an der Lendenwirbelsäule oder an Hüft- und Kniegelenken.
Hier kann ein funktionelles Training den Teufelskreis durchbrechen, da einem vorhandenen Schmerz oft mit Bewegungsvermeidung begegnet wird, was wiederum in einer Verstärkung des Schmerzes resultiert. Auch die inneren Organe und vor allem das Herz-Kreislauf-System brauchen regelmäßige Belastungsanforderungen, um ihre Leistungsfähigkeit zu erhalten. Herz, Lunge und das Transportsystem des Körpers, das aus den Arterien und Venen besteht, versorgen unseren Körper und das Gehirn mit lebenswichtigem Sauerstoff und passen sich immer an die äußeren Anforderungen an. Bei mangelnder „Pflege" dieses Systems verkümmert es und kann seine Funktion nicht mehr optimal erfüllen.
Welche Beschwerden bzw. Krankheitsbilder werden aber genau durch Bewegungsmangel verursacht oder zumindest begünstigt und wie kann der Sport positiv darauf einwirken?
Todesursache Nummer eins in Deutschland mit etwas über 36% aller Todesfälle sind Herz-Kreislauferkrankungen, wie z.B. Herzinfarkt oder Schlaganfall, die oft Folge einer Arteriosklerose sind. Es kommt dabei zum Verschluss einer Arterie, die den Herzmuskel oder das Gehirn versorgt und darauffolgend zu einem Absterben des betroffenen Gewebes, da die Sauerstoffversorgung unterbrochen ist.
„Ob nicht der für den besten Arzt zu halten wäre, welchen man für den besten Lehrer der Gymnastik halten dürfte."
Galen von Pergamon, 129-199 n. Chr.
Hier gibt es drei Gruppen von Risikofaktoren, die einen direkten Einfluss auf die Häufigkeit von Herz-Kreislauferkrankungen haben:
Die erste Gruppe umfasst die nicht beeinflussbaren Faktoren wie Alter, Geschlecht und Veranlagung. Die zweite Gruppe beinhaltet Risikofaktoren, die an sich schon als Krankheiten zu betrachten sind wie Bluthochdruck, Diabetes mellitus, Fettstoffwechselstörungen und Adipositas (Fettleibigkeit). Diese Krankheitsbilder treten oft gemeinsam auf und werden in der Summe als „metabolisches Syndrom" bezeichnet.
Gerade dieses metabolische Syndrom wird nun sehr oft durch die dritte Gruppe der Risikofaktoren verursacht, auf die wir einen direkten und sehr großen Einfluss haben. Es gibt im Wesentlichen fünf äußere Einflüsse, die das Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen massiv erhöhen können:
- Überernährung
- Fehlernährung
- Rauchen
- Bewegungsmangel
- Stress
Gerade hier kann regelmäßige Bewegung, als „Medikament" ohne Nebenwirkungen, Wunder wirken, da sie sich durch eine Steigerung des Körper- und Gesundheitsbewusstseins auch positiv auf die anderen Faktoren auswirkt. Der Sport hilft dabei, eine Änderung des Ernährungsverhaltens zu unterstützen und „schädliche" Verhaltensweisen zu vermindern.
Stress kann durch Ausdauertraining und gezielte Entspannungsübungen abgebaut und die Ausschüttung der Stresshormone Adrenalin und Noradrenalin vermindert werden. Stress verursacht durch eine Dauerausschüttung des Hormons Cortisol eine Fettanreicherung im Bauchbereich und eine erhöhte Insulinresistenz. Durch regelmäßiges Sporttreiben wird die Arbeit unseres „Sauerstoff-Transportsystems" ökonomisiert und die Durchlässigkeit der Arterien verbessert.
Aber nicht nur die inneren „Systeme" des Körpers profitieren von der Bewegung. Einen großen Anteil der heutigen Volkskrankheiten nehmen Erkrankungen des Bewegungsapparates ein, die zwar nicht lebensgefährlich sind, aber die Lebensqualität massiv einschränken können. Hier soll nur auf die wichtigsten und häufigsten eingegangen werden, wobei funktionelles und zielgerichtetes Sporttreiben bei fast allen Erkrankungen des Halte- und Stützapparates indiziert ist und oft zur Verbesserung der Beschwerden beitragen kann:
In Deutschland haben statistisch gesehen ca. 27% bis 40% der Menschen Rückenbeschwerden. 70% haben diese Schmerzen mindestens einmal im Jahr und 80% klagen mindestens einmal im Leben darüber. Es gibt vielfältige Ursachen für Rückenbeschwerden und eine davon ist der Bandscheibenvorfall. Für fast alle Rückenbeschwerden gilt, dass durch ein gezieltes Training der rumpfstabilisierenden Muskulatur diese vermindert oder schon im Vorfeld verhindert werden können.
Wenn die Stützmuskulatur des Körpers durch mangelnde Anforderung abgeschwächt ist, hängt der Körper sozusagen „in den Seilen“, die physiologische Doppel-S-Form der Wirbelsäule wird verändert, was sich in den Haltungsabweichungen Rundrücken, Hohlrücken, Rachrücken oder Hohl-Rundrücken äußert. Dadurch kommt es zu einer vermehrten Belastung der kleinen Wirbelgelenke, einer übermäßigen Abnutzung der Bandscheiben und oftmals zu einer Reizung der Nervenbahnen, die aus der Wirbelsäule an den verschiedenen Abschnitten austreten und die entsprechenden Körpersegmente versorgen. Schmerzen und Bewegungseinschränkungen sind die Folge davon.
Eine zweite große Gruppe der Volkskrankheiten stellt die Arthrose dar, ein degenerativer Gelenkverschleiß, ausgelöst durch ein Missverhältnis von Belastung und Belastbarkeit. Es kommt zu einer Knorpelschädigung sowie Schmerzen durch einseitige Alltagsbelastung und es entsteht ein Teufelskreis. Der Versuch, durch Schonhaltung und Vermeidung von Bewegung den Schmerzen zu entgehen, führt zu Muskelverkürzungen und -verhärtungen, einer verminderten Ernährung des Knorpels und zu einer verstärkten Schädigung desselben. Hier kann die funktionelle Belastung durch Muskeltraining eine Annäherung an eine physiologische Statik, eine verbesserte Körperwahrnehmung und eine Erhaltung der Bewegungsfähigkeit mit verminderten Schmerzen bewirken.
Ein Problem, das hauptsächlich Frauen nach der Menopause betrifft, ist die Osteoporose (Knochenschwund), die aufgrund des Verlustes der Knochen aufbauenden Wirkung der weiblichen Sexualhormone begünstigt wird. Rumpfverkürzungen mit Buckelbildung, Rückenschmerzen und Verformung der Wirbel können dadurch auftreten. Häufig sind aufgrund der verminderten Knochenfestigkeit Wirbelkörperfrakturen oder Brüche des Oberschenkelhalsknochens die Folge. Osteoporose kann durch regelmäßige sportliche Betätigung, Muskelkräftigung, richtige Ernährung und ausreichenden Aufenthalt im Freien (Vitamin D-Bildung durch UV-Licht) weitgehend verhindert werden. Je mehr Knochenmasse dabei schon in jungen Jahren durch regelmäßige körperliche Aktivität aufgebaut wird , desto unwahrscheinlicher ist es, im Alter an Osteoporose zu erkranken. Aber auch bei schon bestehender Osteoporose wurde in vielen verschiedenen Studien bewiesen, dass ein regelmäßiges Krafttraining die Knochendichte entscheidend verbessern kann.